Über das Verurteilen

Manchmal ist es um mein Selbstbewusstsein nicht sehr gut bestellt.  Ich fühle mich gar nicht liebenswert und „wunderbar“, sondern klein und unscheinbar, durchsichtig und verletzlich.

In solchen Momenten ertappe ich mich dabei, wie ich in Gedanken und Gesprächen über andere Menschen und deren Verhalten urteile: 

Die ist ja soooo unflexibel / Der hat sein Leben echt nicht im Griff / Wie kann man nur so xxxx sein (beliebig viele Begriffe einsetzbar von A wie ängstlich bis Z wie zornig)! / Die Leut‘ sind so egoistisch, dumm, unmoralisch, …

Das katapultiert mich auf eine eigenartige Weise aus meinem Gefühlstief. Plötzlich fühle ich mich „überlegen“. ICH bin ja so viel besser drauf, habe alles viel besser im Griff, bin so viel cooler, ICH bin gaaaaanz anders…

Dann hat mich eine harte Erkenntnis gestreift: Je mehr ich mich mit meinen Gedanken und Worten über andere erhoben habe, umso kleiner war ich in dem Moment. Ich habe mir meine eigene Großartigkeit wieder zurechtzimmern müssen, indem ich andere verurteilt und für mich „verkleinert“ habe. Ich war ernüchtert und beschämt.

In Wahrheit ist niemand ist besser (klüger, größer, schöner, cooler, …)  als der andere. Uns verbindet doch viel mehr, als uns trennt. Wir haben andere Sichtweisen, andere Lebensmodelle. Und wer darf sagen, was richtig(er) oder gar besser ist? Darf ich den eigenen Maßstab bei anderen anlegen und sie dann verurteilen, weil sie meinen Werten und Ansichten nicht entsprechen? Jeder von uns hat seinen Weg und seine Bestimmung auf dieser Welt, also sollte er so leben dürfen, dass er erfahren kann, was er hier auf Erden zu erfahren gewählt hat.

Wenn wir uns mehr um uns selbst kümmern und den andern lassen, wie er ist, dann haben wir auch weniger Grund uns aufzuregen. Und ehrlich: was Dich beim anderen so stört, ist doch in Wirklichkeit das, was Du bei Dir nicht siehst oder sehen willst. Wie ein Spiegel reflektiert dieser Mensch deine „blinden Flecken“. Wenn also das nächste Mal z.B. ein „So ein Besserwisser“ durch deine Gedanken huscht, dann frage Dich, ob Du nicht selber auch solche Tendenzen hast. Unsere innere Einstellung manifestiert sich im Außen. Umso größer sollte unser Ansporn sein, eine wertschätzende Haltung einzunehmen. Wir kämen ohne Bekehrung oder Missionierung aus, träten uns auf Augenhöhe entgegen und jedes Gespräch würde eine respektvolle Schwingung bekommen.

Statt andere zu bewerten, darf die Liebe zu mir selbst im Vordergrund stehen und ich kann mich respektvoll und achtsam für mich und meine Grenzen einsetzen.

Am Ende der Zeit erreichen wir alle das selbe „Level“ an Göttlichkeit. Der eine auf diese, die andere auf jene Art. Aber unser aller Weg führt zu einem gemeinsamen Ziel.