Gefühle zulassen statt verdrängen: Der Weg zu innerer Stärke

In unserer Gesellschaft wird viel Wert auf Erfolg, Stärke und Kontrolle gelegt. Gefühle zu zeigen, besonders solche, die als „negativ“ gelten, wird oft als Schwäche betrachtet. Das führt dazu, dass viele Menschen ihre Emotionen unterdrücken und den Kontakt zu ihren inneren Bedürfnissen verlieren. Besonders Männer stehen dabei vor großen Herausforderungen. Gefühle wie Traurigkeit, Wut oder Angst zu zeigen, ist für sie häufig noch weniger akzeptiert. Ein Mann, der weint oder seine Ängste offenbart, wird schnell als schwach, unsicher oder verletzlich abgestempelt. Doch diese Bewertung unserer Emotionen und das Bedürfnis, sie zu verbergen, erzeugt enormen inneren Stress. Es trennt uns von uns selbst und hindert uns daran, authentisch zu leben.

David R. Hawkins beschreibt in seiner „Skala des Bewusstseins“, wie verschiedene emotionale Zustände unsere Energie und unser Wohlbefinden beeinflussen. Die Skala reicht von den niedrigsten, schwächenden Emotionen wie Scham, Schuld und Angst bis hin zu den kraftvollen Gefühlen von Liebe, Freude und Frieden. Die unteren Ebenen der Skala – wie Scham, Schuld und Angst – saugen förmlich unsere Lebensenergie aus. Sie schwächen uns, rauben uns Kraft und halten uns in einem Zustand der inneren Anspannung. Menschen, die sich in diesen Gefühlszuständen befinden, erleben das Leben oft als Kampf, voller innerer Konflikte und Zweifel. Sie fühlen sich schnell überfordert, gefangen in negativen Gedanken und oft von einem tiefen Gefühl der Wertlosigkeit geplagt. Auf dieser Ebene sind wir wie gelähmt, unfähig, unsere Potenziale zu erkennen und unser Leben wirklich zu gestalten.

Das eigentliche Problem dabei ist auf keinen Fall das Vorhandensein von Gefühlen, sondern unser Umgang mit ihnen. Wir versuchen, sie zu verdrängen, weil wir gelernt haben, dass sie uns klein und verletzlich machen. Doch gerade dieses Verdrängen verursacht langfristig viel Stress. Denn Emotionen verschwinden nicht einfach, nur weil wir sie ignorieren. Sie bleiben im Körper, verankern sich in uns und beeinflussen unser Denken, Fühlen und Handeln, ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Das führt zu einem ständigen inneren Druck und einer latenten Unzufriedenheit, die uns irgendwann einholt – sei es durch körperliche Beschwerden, mentale Erschöpfung oder durch das Gefühl, im Leben auf der Stelle zu treten.

Ein Perspektivwechsel ist hier von großer Bedeutung: Anstatt unsere Gefühle zu verurteilen oder zu unterdrücken, können wir lernen, sie anzuerkennen und als wertvolle Hinweise zu betrachten. Jedes Gefühl, auch das scheinbar negative, trägt eine Botschaft in sich. Es zeigt uns, wo wir stehen, was uns verletzt oder was wir wirklich brauchen. Nehmen wir Wut als Beispiel: Sie ist nicht einfach nur ein zerstörerisches Gefühl. Sie kann uns auch aufzeigen, wo unsere Grenzen überschritten wurden, wo wir uns ungerecht behandelt fühlen oder wo wir in unserem Leben etwas verändern möchten. Anstatt die Wut wegzudrücken, könnten wir uns fragen: „Was genau bringt mich in diese Rage? Und was ist es, das ich mir stattdessen wünsche?“

Ein bewusster Umgang mit Emotionen erfordert jedoch Mut und Selbstreflexion. Und gibt uns auch die Möglichkeit, uns von den niedrigeren Energiezuständen zu befreien und zu einem höheren Bewusstsein zu gelangen. Es bedeutet, sich mit den eigenen Verletzungen auseinanderzusetzen, die darunterliegende Scham, Schuld oder Angst zu fühlen, aber nicht darin stecken zu bleiben. Diese Emotionen brauchen Raum und Anerkennung, um sie schließlich zu transformieren – in Akzeptanz, in Selbstmitgefühl und letztlich in innere Stärke. Auf der Skala von Hawkins bedeutet das, sich von einem schwächenden Zustand in einen stärkenden zu bewegen. Sobald wir die Blockaden und den inneren Widerstand gegen unsere Gefühle aufgeben, setzt das enorme Energien frei. Wir fühlen uns lebendiger, klarer und beginnen, uns selbst besser zu verstehen.

Wie aber lässt sich dieser Prozess in den Alltag integrieren? Es beginnt damit, achtsam zu sein und Gefühle wahrzunehmen, ohne sie sofort zu bewerten. Anstatt vor einer unangenehmen Emotion wegzulaufen oder ihr „blind“ zu folgen, könnten wir sie bewusst spüren, ihr einen Moment lang Raum geben und uns fragen, welche Botschaft sie uns übermitteln möchte. Das kann am Anfang herausfordernd sein, besonders wenn man es gewohnt ist, diese Gefühle schnell zu unterdrücken oder in Aktionismus zu verfallen. Doch mit der Zeit wird es leichter, und man beginnt, ein tiefes Verständnis für sich selbst zu entwickeln.

Danach sollte der Perspektivwechsel folgen. Wenn wir beispielsweise feststellen, dass wir häufig von Angst begleitet werden, könnten wir überlegen, ob diese Angst uns etwas mitteilen will. Vielleicht fordert sie uns auf, genauer hinzusehen: Was ist es, das uns bedroht oder uns aus der Bahn wirft? Und was brauchen wir, um uns sicherer zu fühlen? Es geht nicht darum, die Angst sofort loszuwerden, sondern sie als Teil unseres inneren Systems zu akzeptieren und sie letztlich umzuwandeln – vielleicht in Vertrauen oder in Entschlossenheit. Du BIST nicht deine Angst, Angst ist ein TEIL VON DIR.

Emotionen sind also kein Hindernis, das es zu loszuwerden gilt, sondern ein Zugang zu einem tieferen Selbstverständnis. Sie helfen uns, Stress zu reduzieren, indem sie uns zeigen, wo etwas in uns in Unordnung ist. Sie lenken unsere Aufmerksamkeit auf die Bereiche, die wir pflegen und heilen müssen, um innerlich ausgeglichener und widerstandsfähiger zu werden. Wenn wir lernen, unsere Gefühle zu fühlen, anstatt sie zu verdrängen, dann befreien wir uns von dem inneren Druck und öffnen uns für mehr Klarheit, Energie und Lebensfreude. So verwandelt sich Stressmanagement von einem ständigen Kampf in eine bewusste und achtsame Lebensweise, die uns zu einem tieferen Verständnis unserer selbst führt. In meiner Arbeit setze ich oft die Innermetrix-Analyse ein, um Menschen zu helfen, ihre verborgenen Potenziale zu entdecken und die Blockaden, die sie zurückhalten, zu erkennen. Diese Analyse bietet zusätzlich tiefe Einblicke in die eigenen Stärken, Motivationen und auch die emotionalen Barrieren, die uns im Weg stehen. Wenn man versteht, warum bestimmte Gefühle in bestimmten Situationen auftauchen, und wie sie mit dem eigenen inneren Erleben zusammenhängen, wird es leichter, sie anzunehmen und schließlich in eine kraftvolle Ressource zu verwandeln.

In diesem Prozess entfaltet sich ein neues Mindset: Wir beginnen, uns selbst und unsere Gefühle als Ganzes zu akzeptieren, ohne die Teile von uns abzulehnen, die wir als „schwach“ oder „unnötig“ erachten. Wir erkennen, dass genau in diesen scheinbar schwächenden Emotionen eine enorme Kraft liegt. Es ist die Kraft, alte Wunden zu heilen, blockierte Energie wieder in Fluss zu bringen und unser volles Potenzial zu entfalten. Denn genau das ist das Ziel: Ein Leben, das im Einklang mit unserem inneren Wesen steht, frei von inneren Kämpfen und voller bewusster Stärke und Klarheit.

Gefühle als Stressbarometer: Wie Emotionen unser Stresslevel widerspiegeln.

Gefühle sind mehr als nur flüchtige Momente, die unseren Alltag begleiten. Sie sind wie Botschaften unseres inneren Systems, die uns mitteilen, wie es uns wirklich geht. In jedem Lächeln, jeder Träne, in jedem Ärger und jeder Freude steckt eine tiefe Wahrheit, die darauf wartet, von uns gehört zu werden. Wenn wir aufmerksam auf unsere Gefühle lauschen, offenbart sich ein fein abgestimmtes Feedbacksystem, das uns hilft, unseren aktuellen Zustand besser zu verstehen und zu navigieren.

Unsere Emotionen können uns aufzeigen, wenn etwas in uns in Bewegung gekommen ist. Das kann ein Bereich sein, der sich entfalten möchte, der mehr Raum und Ausdruck finden will. Es kann aber auch eine alte Wunde sein, die sich bemerkbar macht, weil sie endlich Gehör und Heilung braucht. So kann beispielsweise ein plötzliches Gefühl von Traurigkeit, das scheinbar grundlos auftaucht, oft ein Hinweis auf etwas Tieferliegendes sein. Vielleicht ist es eine Erinnerung, die mit dem aktuellen Moment in Resonanz tritt, eine unerfüllte Sehnsucht oder ein lang unterdrückter Wunsch nach Anerkennung.

In solchen Momenten neigen viele dazu, das unangenehme Gefühl zu verdrängen oder schnell etwas zu tun, um es zu betäuben. Doch indem wir versuchen, es zu unterdrücken, verwehrt uns das Gefühl die Möglichkeit, uns mitzuteilen. Es möchte uns sagen, dass etwas nicht im Gleichgewicht ist, dass es Raum zur Verarbeitung braucht. Indem wir uns stattdessen auf das Gefühl einlassen, es anerkennen und ihm erlauben, da zu sein, beginnen wir, eine tiefere Verbindung zu uns selbst aufzubauen. Denn jedes Gefühl, ob positiv oder negativ, erzählt uns etwas über uns, über unsere Bedürfnisse, Grenzen und auch über das, was uns guttut.

Gefühle sind daher auch ein verlässlicher Barometer für unseren Stresspegel. Wenn wir beispielsweise in einer stressigen Situation bemerken, dass wir schnell gereizt reagieren, ist das oft ein Zeichen dafür, dass unsere Ressourcen erschöpft sind. Der Körper und Geist signalisieren uns damit, dass wir gerade über unsere Grenzen gehen. Anstatt uns in solchen Momenten zu kritisieren, können wir die Reaktion als Einladung betrachten, innezuhalten und nachzuspüren, was wir gerade wirklich brauchen. Vielleicht ist es eine Pause, ein tiefes Durchatmen oder einfach nur das Bewusstsein, dass es okay ist, nicht immer perfekt zu funktionieren.

In der heutigen Welt, in der das Tempo immer schneller wird und die Anforderungen stetig steigen, fällt es uns oft schwer, auf diese Signale zu hören. Wir sind so sehr darauf trainiert, zu funktionieren, dass wir die feinen Regungen unserer Emotionen oft überhören. Doch genau hier liegt der Schlüssel zu einem gesunden Umgang mit Stress. Indem wir uns erlauben, Gefühle zu spüren, ohne sie sofort zu bewerten oder verändern zu wollen, schaffen wir einen Raum der Akzeptanz und des inneren Friedens. Dieser Raum ist es, der uns die nötige mentale Stärke gibt, um auch mit herausfordernden Situationen besser umgehen zu können.

Mentale Stärke bedeutet nicht, dass wir unsere Gefühle kontrollieren oder gar unterdrücken müssen. Ganz im Gegenteil: Sie bedeutet, dass wir uns selbst genug vertrauen, um uns all dem, was in uns auftaucht, zu stellen. Indem wir lernen, unsere Emotionen als wertvolle Informationsquelle zu betrachten, können wir beginnen, bewusster und achtsamer mit uns selbst umzugehen. Es erfordert Mut und Selbstmitgefühl, sich den eigenen Gefühlen zuzuwenden, besonders wenn sie schmerzhaft oder unangenehm sind. Aber in diesem bewussten Dasein mit uns selbst liegt die wahre Stärke.

Wenn wir uns unseren Emotionen öffnen, können wir lernen, ihre Botschaften zu entschlüsseln. Ein Gefühl der Angst könnte uns sagen, dass wir gerade eine Grenze überschreiten oder dass wir uns in einem Bereich bewegen, der uns unsicher macht. Es lädt uns ein, hinzuschauen, was wir tun können, um uns sicherer zu fühlen. Ein Gefühl von Freude und Leichtigkeit hingegen zeigt uns, dass wir auf einem Weg sind, der uns gut tut, der uns nährt und inspiriert. So gesehen werden Gefühle zu einem inneren Kompass, der uns hilft, die Richtung zu finden, die wirklich mit unserem wahren Selbst übereinstimmt.

Stress entsteht oft dann, wenn wir gegen diesen inneren Kompass handeln, wenn wir uns selbst nicht hören oder unsere Bedürfnisse ignorieren. Langfristig führt dies zu einem Zustand des inneren Ungleichgewichts, der sich in Form von Überforderung, Anspannung und Unzufriedenheit zeigen kann. Indem wir jedoch auf die Zeichen achten, die uns unsere Gefühle geben, können wir frühzeitig gegensteuern. Das bedeutet nicht, dass wir uns dem Stress vollständig entziehen können – denn Stress ist ein natürlicher Bestandteil des Lebens –, aber es ermöglicht uns, ihn bewusster und gesünder zu handhaben.

Gefühle sind also ein essenzieller Teil unseres Wohlbefindens. Sie zeigen uns auf, wo wir stehen, was wir brauchen und was uns guttut. Sie sind Wegweiser zu einem Leben, das im Einklang mit unserem innersten Wesen steht. Indem wir lernen, auf sie zu hören und uns von ihnen leiten zu lassen, stärken wir unsere innere Widerstandskraft. Wir beginnen, stressige Situationen mit mehr Ruhe und Klarheit zu begegnen, weil wir uns selbst besser kennen und wissen, was uns unterstützt. Die Verbindung zu unseren Gefühlen ist daher nicht nur ein wichtiger Aspekt des Stressmanagements, sondern auch ein wesentlicher Baustein für ein erfülltes und authentisches Leben.

Drei Corona-Erkenntisse

Ich war krank. Corona. Nach 2 Jahren Pandemie hat es mich auch erwischt. Lustig war es nicht. Es war anstrengend. Und trotzdem bin ich auf eine schräge Art dankbar. Ja, das ist es: ich bin dankbar, denn diese Tage haben mich etliches gelehrt und mir drei Erkenntnisse geschenkt und in mein Bewusstsein geschickt:

  1. Mein Körper hält zu mir, er hat mich so tapfer verteidigt, hat gegen das Virus so unermüdlich angekämpft. Über meine verstopfte Nase klage ich nicht, denn ich weiß, dass das ein Teil der Abwehrstrategie ist. Was mich aber am allermeisten berührt hat: ich habe im Lauf meines doch mittlerweile über 50 jährigen Lebens so oft – vielleicht sogar permanent – mit meinem Körper gehadert. Nie war er gut genug für mich (zu dick, Überbeine, fade Haare, graue Haare, nicht schlank genug, usw. ). Zum ersten Mal begreife ich wirklich, welch ein Wunderwerk er ist, wie stolz ich auf ihn sein kann und ich habe vor, es ab jetzt auch zu sein. Ich habe – so verrückt das klingt – eine neue, bessere liebevollere Beziehung zu meinem Körper entwickelt. Ich ehre ihn, als das was er ist: der Tempel meiner Seele. Das mag für viele sehr pathetisch klingen, aber so fühlt es sich für mich grad an. Ich weiß auch, dass jene Menschen, die mit ihrem Körper immer zufrieden waren, nicht verstehen können, was ich meine. Aber diese Botschaft geht an alle raus, die über ihren Körper auch so gedacht haben wie ich. Und ich bin sicher, dass dieser Text jene Personen erreichen wird, die das grad brauchen und lesen müssen. 
  2. die zweite Erkenntnis, die mir meine Erkrankung gebracht: ich kann loslassen und mich hingeben. Das klingt jetzt im Zusammenhang mit einer Krankheit vorerst eigenartig. Was ich damit sagen möchte ist, dass ich im „normalen“ Leben, sehr in irgendwelche Zwänge verwoben war: Das muss DA stehen, und das muss SO aussehen, DAS muss gleich weggeräumt/weggeschmissen werden, etc etc. ein bissl MONK 😉 Ich hab mir selber immer den Druck gemacht, dass „es“ (Wohnung, Leben, Alltagsdinge…) nach einer bestimmten Art und Weise und Routine ablaufen müssen. Dass gewisse Dinge von mir abhängen, damit sie „perfekt“ sind. Nur ich mach es richtig. Tja, nun liege ich seit 4 Tagen fast durchgehend im Bett und kümmere mich nicht um Aufräumen, Wegräumen, Wäsche, Geschirr, oder gar meinen Job. Und in meinem Quarantäne-Zimmer sieht es aus wie Sau 😉 Und es geht auch. Ich überlege mir nicht, dass der Mist ausgeleert gehört, die Küche aufgeräumt oder Ähnliches. Geht mich aktuell nix an. Jetzt ist es Zeit für mich und meine Genesung. Der Rest muss warten oder von der Familie erledigt werden. Es ist das erste Mal, dass ich das SO bewusst wahrnehme. Ich darf auf mich schauen, Verantwortung abgeben, Sachen (rum)liegen lassen, die momentan keine Priorität haben. Die Welt bricht nicht zusammen, wenn ich das tu. Sie bricht auch nicht zusammen, wenn die Dinge nicht „perfekt“ sind. In deinem Leben sollte es um DICH gehen und nicht um erledigte TO DO Listen. Im Gegenteil: je mehr ich auf mich achte, auf das, was ich brauche, um so mehr Energie habe ich, umso mehr Energie kann ich geben. Ehrlich, ich hab das nie so in dieser Tragweite verstanden und verinnerlicht. Es ist mir in dieser Zeit des Krank-seins zum ersten Mal so richtig bewusst geworden, was es heißt, sich an erste Stelle zu setzen.
  3. Erkenntnis: Ich habe bemerkt, dass es mir sehr schwer fällt, etwas FÜR MICH zu fordern oder anzunehmen. Oder gar als selbstverständlich anzusehen. Ich bin dankbar, versuche aber, nicht lästig zu sein. Umgekehrt agiere ich auch so: ich kümmere mich um andere, erwarte dafür aber Dankbarkeit. Tu ich die Dinge also „nur“ aus Pflichtgefühl und weil ich daraus etwas „gewinne“? Also hauptsächlich Anerkennung? Ja. Meistens ist das so. Und natürlich fällt das Lob nicht immer so aus, wie ich es mir wünsche, deckt sich nicht mit meiner Erwartungshaltung. Und schon entsteht wieder so ein Gefühl von „nicht genug“. Dann bin ich frustriert, fordere Anerkennung ein, was beim Gegenüber oft Verwunderung auslöst. Also, langer Rede, kurzer Sinn: auch das hab ich für mich verstanden: ich möchte nicht mehr nur tun oder nicht tun, um etwas dafür zu erhalten (Lob, Anerkennung…), sondern weil ich es tun möchte. Ich möchte mich ab sofort nicht mehr davon abhängig machen, wie meine Handlungen oder mein Sein beurteilt (manchmal auch verurteilt) werden. Ich möchte mich unabhängig davon machen, dass man meine Gefühlwelt von außen an- oder ausknipsen kann. Nur ich bestimme über meine Emotionen und niemandem sonst gebe ich die Ermächtigung, darüber zu herrschen. Denn ich habe immer die Wahl, wie ich auf äußere Reize reagieren will.

Leben im Autopilot-Modus

Unser Gehirn ist eine unermüdliche „Aufzeichnungsmaschine“. Alles, was wir bislang erlebt, erfahren, gefühlt und gelernt haben, wird dort gespeichert. Unsere tagtäglichen Wiederholungen werden über die Jahre zu Gewohnheiten, zu automatisch ablaufenden unbewussten Gedanken, Entscheidungen, Verhaltensweisen und Emotionen.

Wenn wir etwas immer und immer wieder machen bzw. denken, erzeugt unser Gehirn daraus eine Art „Software“, ein starkes neuronales Netzwerk, damit Abläufe schneller funktionieren können. Dieses „fire & wire“-Prinzip kennen wir vom Lernen: Was am Anfang noch schwer fällt, wird bei regelmäßiger Wiederholung immer einfacher. Prinzipiell eine gute Sache.

Allerdings heißt das auf der anderen Seite auch, dass wir schon bald hauptsächlich „erinnerte Programme“ abrufen, die den Großteil unseres Ichs repräsentieren. Wir leben also quasi jeden Tag dasselbe Leben mit den immer gleichen Gedanken, Emotionen und Glaubenssätzen, die im Gehirn als dichte neurologische Netze verdrahtet sind. Mit der Zeit übernimmt der Körper die Kontrolle – er kennt die Programmierungen ja mittlerweile – und wir laufen mehr oder weniger auf Autopilot in eine – mit einigen wenigen Abweichungen – vorhersehbare, berechenbare immer gleiche Zukunft. Wir können im Prinzip das Gestern hernehmen und es auf das Heute draufstülpen. Keine berauschende Aussicht.

Die meisten Menschen in der westlichen Welt greifen zum Beispiel beim Aufwachen zuerst nach ihrem Handy. Dann stehen sie auf und machen meist das genau Gleiche wie am Vortag, mit den immer gleichen Abläufen. Das erklärt, warum viele Menschen irgendwann schwer frustriert nach dem Sinn des Lebens fragen oder ins Burn-out rutschen. 90 % unserer Gedanken sind dieselben wie jene vom Vortag!

Zurück zur Aufzeichnungsmaschine Gehirn

Unser Denken erzeugt unsere Befindlichkeiten, weil unsere Gedanken alleine Gefühle erzeugen können und diese wieder Gedanken und dann wieder Gefühle … ein stetiger Kreislauf. Wir sind in diesen unbewussten Gedankenkreisen regelrecht gefangen. Und unser Körper ist in dieser Hinsicht äußerst objektiv: Er unterscheidet nicht zwischen einer realen Erfahrung und einem Gedanken.

Kleines Experiment gefällig? Beobachte, wie sich deine Stimmung durch die folgende Übung verändert:

Verziehe dein Gesicht zu einem Lächeln, von einem Ohr zum anderen. Einfach so. Als würdest du grad den besten Witz deines Lebens hören und darüber lachen müssen. Halte diese „Grimasse“ (vulgo „Grinsekatze“) für mindestens eine Minute. Meist hebt sich die Laune in dieser kurzen Zeit, weil das Glückshormon Dopamin ausgeschüttet wird, was durch einen Nervenreflex beim Lachen (über das Kiefer ins Gehirn) aktiviert wird.

Mehr kurze alltagstaugliche Übungen findest du hier

Die vier Schritte zur Veränderung

Schritt 1:  Bewusst.sein und Veränderungswille

Der erste Schritt zum Wandel besteht darin, sich b e w u s s t  dafür zu entscheiden, diese Veränderung machen zu wollen.

Danach darfst du dich und deine Abläufe mal bewusst wahrnehmen und beobachten. Schreib dir zum Beispiel auf, welche Routinen du Tag für Tag hast. Machst du die immer gleichen Dinge? Ärgerst du dich tagtäglich über das Gleiche? Bist du schon beim Aufstehen frustriert? Manches ist tief im Unterbewusstsein vergraben und wird eventuell länger brauchen, um es zu erkennen bzw. zu verändern. Such dir anfangs jene Dinge heraus, die dir leicht (auf)fallen, und beginne dort mit der Veränderung.

Schritt 2: Gedankenschleifen stoppen

Hol dir deine unbewussten (hinderlichen) Gedankenschleifen ins Bewusstsein. Beobachte achtsam: Was denkst Du den lieben langen Tag über dich, deine Mitmenschen, dein Leben, deine Gesundheit, Geld usw. Notiere dir die Sätze und lasse sie auf dich wirken. Dann frage dich, woher sie kommen und vor allem, ob du sie weiter denken willst, ob sie (noch) immer gelten, (noch) immer wahr sind. Ertappe dich dabei, wenn du sie wieder und wieder hervorholst und nimm dir vor, diese Gedanken zu unterbrechen und nicht weiterzudenken. Ich zum Beispiel schnippe mit den Fingern und sage mir dann: „Hör auf damit. Denke einen neuen Gedanken!” – funktioniert gut für mich.

Schritt 3: Abläufe verändern

Beginne schon in der Früh damit, deine Abläufe leicht zu verändern. Zum Beispiel könntest du dir, bevor du aufstehst, noch fünf Minuten in Ruhe schenken, um im Tag anzukommen. Denk nicht an deinen Terminkalender, nicht daran, was du im Lauf der nächsten Minuten zu tun hast oder was gestern passiert ist. Einfach nur sein. Dankbar für den neuen Tag und all die Dinge, die du schon hast wie Gesundheit, Freunde, Familie, ein Dach über dem Kopf, einen Job, Geld, Essen …). So kannst du üben, im gegenwärtigen Moment zu sein. Setz dich beim Frühstück auf einen anderen Sessel. Fahre einen anderen Weg in die Arbeit, steig eine Station früher aus … Ich glaube, du weißt, was ich meine.

Schritt 4: Präsent sein

Lenke während des Tages dein Bewusstsein immer wieder auf die Gegenwart. Dazu nutzt du deinen Atem, denn er geschieht nur im gegenwärtigen Moment. Atmen ist immer Gegenwart. Wenn du dir Zeit nimmst, kurz innezuhalten und dich – vielleicht sogar mit geschlossenen Augen, damit du die Verbindung zur Außenwelt unterbrichst – auf deinen tiefen ruhigen Atmen zu konzentrieren, wirst du feststellen, dass sich etwas verändert. Vergangenheit ist vorüber, Zukunft findet noch nicht statt. Du bist präsent. Sich zu verändern, heißt über dein Umfeld und deine Lebensumstände hinauszuwachsen.

Neue Abläufe, neue Sichtweisen, neu Gelerntes, das zu neuen Denkweisen führt, sollte also logischerweise auch zu neuen Wahlmöglichkeiten und Entscheidungen führen, die – wenn sie umgesetzt werden – zu neuen Verhaltensweisen führen sollten. Dadurch können neue Erfahrungen entstehen, die neue Gefühle erzeugen. Neue Gefühle und neue Emotionen sollten neue Gedanken hervorrufen. Das fördert deine Weiterentwicklung.


You must be playing your mind – your mind should not be playing you. – Sadhguru


Rechne damit, dass dein Verstand (und auch dein Körper) dir öfter „einreden” wollen, dass das alles Unfug und viel zu kompliziert ist. Schließlich wollen sie die altbewährten einfachen, schnellen und erprobten Pfade nicht verlassen. Lass dich davon nicht beeindrucken. Bleib dran, auch wenn es manchmal mühsam wird.

Wenn Du dabei Unterstützung brauchst, steht ich dir gerne mit Rat und Tat zur Seite: KONTAKT