Gefühle als Stressbarometer: Wie Emotionen unser Stresslevel widerspiegeln.

Gefühle sind mehr als nur flüchtige Momente, die unseren Alltag begleiten. Sie sind wie Botschaften unseres inneren Systems, die uns mitteilen, wie es uns wirklich geht. In jedem Lächeln, jeder Träne, in jedem Ärger und jeder Freude steckt eine tiefe Wahrheit, die darauf wartet, von uns gehört zu werden. Wenn wir aufmerksam auf unsere Gefühle lauschen, offenbart sich ein fein abgestimmtes Feedbacksystem, das uns hilft, unseren aktuellen Zustand besser zu verstehen und zu navigieren.

Unsere Emotionen können uns aufzeigen, wenn etwas in uns in Bewegung gekommen ist. Das kann ein Bereich sein, der sich entfalten möchte, der mehr Raum und Ausdruck finden will. Es kann aber auch eine alte Wunde sein, die sich bemerkbar macht, weil sie endlich Gehör und Heilung braucht. So kann beispielsweise ein plötzliches Gefühl von Traurigkeit, das scheinbar grundlos auftaucht, oft ein Hinweis auf etwas Tieferliegendes sein. Vielleicht ist es eine Erinnerung, die mit dem aktuellen Moment in Resonanz tritt, eine unerfüllte Sehnsucht oder ein lang unterdrückter Wunsch nach Anerkennung.

In solchen Momenten neigen viele dazu, das unangenehme Gefühl zu verdrängen oder schnell etwas zu tun, um es zu betäuben. Doch indem wir versuchen, es zu unterdrücken, verwehrt uns das Gefühl die Möglichkeit, uns mitzuteilen. Es möchte uns sagen, dass etwas nicht im Gleichgewicht ist, dass es Raum zur Verarbeitung braucht. Indem wir uns stattdessen auf das Gefühl einlassen, es anerkennen und ihm erlauben, da zu sein, beginnen wir, eine tiefere Verbindung zu uns selbst aufzubauen. Denn jedes Gefühl, ob positiv oder negativ, erzählt uns etwas über uns, über unsere Bedürfnisse, Grenzen und auch über das, was uns guttut.

Gefühle sind daher auch ein verlässlicher Barometer für unseren Stresspegel. Wenn wir beispielsweise in einer stressigen Situation bemerken, dass wir schnell gereizt reagieren, ist das oft ein Zeichen dafür, dass unsere Ressourcen erschöpft sind. Der Körper und Geist signalisieren uns damit, dass wir gerade über unsere Grenzen gehen. Anstatt uns in solchen Momenten zu kritisieren, können wir die Reaktion als Einladung betrachten, innezuhalten und nachzuspüren, was wir gerade wirklich brauchen. Vielleicht ist es eine Pause, ein tiefes Durchatmen oder einfach nur das Bewusstsein, dass es okay ist, nicht immer perfekt zu funktionieren.

In der heutigen Welt, in der das Tempo immer schneller wird und die Anforderungen stetig steigen, fällt es uns oft schwer, auf diese Signale zu hören. Wir sind so sehr darauf trainiert, zu funktionieren, dass wir die feinen Regungen unserer Emotionen oft überhören. Doch genau hier liegt der Schlüssel zu einem gesunden Umgang mit Stress. Indem wir uns erlauben, Gefühle zu spüren, ohne sie sofort zu bewerten oder verändern zu wollen, schaffen wir einen Raum der Akzeptanz und des inneren Friedens. Dieser Raum ist es, der uns die nötige mentale Stärke gibt, um auch mit herausfordernden Situationen besser umgehen zu können.

Mentale Stärke bedeutet nicht, dass wir unsere Gefühle kontrollieren oder gar unterdrücken müssen. Ganz im Gegenteil: Sie bedeutet, dass wir uns selbst genug vertrauen, um uns all dem, was in uns auftaucht, zu stellen. Indem wir lernen, unsere Emotionen als wertvolle Informationsquelle zu betrachten, können wir beginnen, bewusster und achtsamer mit uns selbst umzugehen. Es erfordert Mut und Selbstmitgefühl, sich den eigenen Gefühlen zuzuwenden, besonders wenn sie schmerzhaft oder unangenehm sind. Aber in diesem bewussten Dasein mit uns selbst liegt die wahre Stärke.

Wenn wir uns unseren Emotionen öffnen, können wir lernen, ihre Botschaften zu entschlüsseln. Ein Gefühl der Angst könnte uns sagen, dass wir gerade eine Grenze überschreiten oder dass wir uns in einem Bereich bewegen, der uns unsicher macht. Es lädt uns ein, hinzuschauen, was wir tun können, um uns sicherer zu fühlen. Ein Gefühl von Freude und Leichtigkeit hingegen zeigt uns, dass wir auf einem Weg sind, der uns gut tut, der uns nährt und inspiriert. So gesehen werden Gefühle zu einem inneren Kompass, der uns hilft, die Richtung zu finden, die wirklich mit unserem wahren Selbst übereinstimmt.

Stress entsteht oft dann, wenn wir gegen diesen inneren Kompass handeln, wenn wir uns selbst nicht hören oder unsere Bedürfnisse ignorieren. Langfristig führt dies zu einem Zustand des inneren Ungleichgewichts, der sich in Form von Überforderung, Anspannung und Unzufriedenheit zeigen kann. Indem wir jedoch auf die Zeichen achten, die uns unsere Gefühle geben, können wir frühzeitig gegensteuern. Das bedeutet nicht, dass wir uns dem Stress vollständig entziehen können – denn Stress ist ein natürlicher Bestandteil des Lebens –, aber es ermöglicht uns, ihn bewusster und gesünder zu handhaben.

Gefühle sind also ein essenzieller Teil unseres Wohlbefindens. Sie zeigen uns auf, wo wir stehen, was wir brauchen und was uns guttut. Sie sind Wegweiser zu einem Leben, das im Einklang mit unserem innersten Wesen steht. Indem wir lernen, auf sie zu hören und uns von ihnen leiten zu lassen, stärken wir unsere innere Widerstandskraft. Wir beginnen, stressige Situationen mit mehr Ruhe und Klarheit zu begegnen, weil wir uns selbst besser kennen und wissen, was uns unterstützt. Die Verbindung zu unseren Gefühlen ist daher nicht nur ein wichtiger Aspekt des Stressmanagements, sondern auch ein wesentlicher Baustein für ein erfülltes und authentisches Leben.

Leben im Autopilot-Modus

Unser Gehirn ist eine unermüdliche „Aufzeichnungsmaschine“. Alles, was wir bislang erlebt, erfahren, gefühlt und gelernt haben, wird dort gespeichert. Unsere tagtäglichen Wiederholungen werden über die Jahre zu Gewohnheiten, zu automatisch ablaufenden unbewussten Gedanken, Entscheidungen, Verhaltensweisen und Emotionen.

Wenn wir etwas immer und immer wieder machen bzw. denken, erzeugt unser Gehirn daraus eine Art „Software“, ein starkes neuronales Netzwerk, damit Abläufe schneller funktionieren können. Dieses „fire & wire“-Prinzip kennen wir vom Lernen: Was am Anfang noch schwer fällt, wird bei regelmäßiger Wiederholung immer einfacher. Prinzipiell eine gute Sache.

Allerdings heißt das auf der anderen Seite auch, dass wir schon bald hauptsächlich „erinnerte Programme“ abrufen, die den Großteil unseres Ichs repräsentieren. Wir leben also quasi jeden Tag dasselbe Leben mit den immer gleichen Gedanken, Emotionen und Glaubenssätzen, die im Gehirn als dichte neurologische Netze verdrahtet sind. Mit der Zeit übernimmt der Körper die Kontrolle – er kennt die Programmierungen ja mittlerweile – und wir laufen mehr oder weniger auf Autopilot in eine – mit einigen wenigen Abweichungen – vorhersehbare, berechenbare immer gleiche Zukunft. Wir können im Prinzip das Gestern hernehmen und es auf das Heute draufstülpen. Keine berauschende Aussicht.

Die meisten Menschen in der westlichen Welt greifen zum Beispiel beim Aufwachen zuerst nach ihrem Handy. Dann stehen sie auf und machen meist das genau Gleiche wie am Vortag, mit den immer gleichen Abläufen. Das erklärt, warum viele Menschen irgendwann schwer frustriert nach dem Sinn des Lebens fragen oder ins Burn-out rutschen. 90 % unserer Gedanken sind dieselben wie jene vom Vortag!

Zurück zur Aufzeichnungsmaschine Gehirn

Unser Denken erzeugt unsere Befindlichkeiten, weil unsere Gedanken alleine Gefühle erzeugen können und diese wieder Gedanken und dann wieder Gefühle … ein stetiger Kreislauf. Wir sind in diesen unbewussten Gedankenkreisen regelrecht gefangen. Und unser Körper ist in dieser Hinsicht äußerst objektiv: Er unterscheidet nicht zwischen einer realen Erfahrung und einem Gedanken.

Kleines Experiment gefällig? Beobachte, wie sich deine Stimmung durch die folgende Übung verändert:

Verziehe dein Gesicht zu einem Lächeln, von einem Ohr zum anderen. Einfach so. Als würdest du grad den besten Witz deines Lebens hören und darüber lachen müssen. Halte diese „Grimasse“ (vulgo „Grinsekatze“) für mindestens eine Minute. Meist hebt sich die Laune in dieser kurzen Zeit, weil das Glückshormon Dopamin ausgeschüttet wird, was durch einen Nervenreflex beim Lachen (über das Kiefer ins Gehirn) aktiviert wird.

Mehr kurze alltagstaugliche Übungen findest du hier

Die vier Schritte zur Veränderung

Schritt 1:  Bewusst.sein und Veränderungswille

Der erste Schritt zum Wandel besteht darin, sich b e w u s s t  dafür zu entscheiden, diese Veränderung machen zu wollen.

Danach darfst du dich und deine Abläufe mal bewusst wahrnehmen und beobachten. Schreib dir zum Beispiel auf, welche Routinen du Tag für Tag hast. Machst du die immer gleichen Dinge? Ärgerst du dich tagtäglich über das Gleiche? Bist du schon beim Aufstehen frustriert? Manches ist tief im Unterbewusstsein vergraben und wird eventuell länger brauchen, um es zu erkennen bzw. zu verändern. Such dir anfangs jene Dinge heraus, die dir leicht (auf)fallen, und beginne dort mit der Veränderung.

Schritt 2: Gedankenschleifen stoppen

Hol dir deine unbewussten (hinderlichen) Gedankenschleifen ins Bewusstsein. Beobachte achtsam: Was denkst Du den lieben langen Tag über dich, deine Mitmenschen, dein Leben, deine Gesundheit, Geld usw. Notiere dir die Sätze und lasse sie auf dich wirken. Dann frage dich, woher sie kommen und vor allem, ob du sie weiter denken willst, ob sie (noch) immer gelten, (noch) immer wahr sind. Ertappe dich dabei, wenn du sie wieder und wieder hervorholst und nimm dir vor, diese Gedanken zu unterbrechen und nicht weiterzudenken. Ich zum Beispiel schnippe mit den Fingern und sage mir dann: „Hör auf damit. Denke einen neuen Gedanken!” – funktioniert gut für mich.

Schritt 3: Abläufe verändern

Beginne schon in der Früh damit, deine Abläufe leicht zu verändern. Zum Beispiel könntest du dir, bevor du aufstehst, noch fünf Minuten in Ruhe schenken, um im Tag anzukommen. Denk nicht an deinen Terminkalender, nicht daran, was du im Lauf der nächsten Minuten zu tun hast oder was gestern passiert ist. Einfach nur sein. Dankbar für den neuen Tag und all die Dinge, die du schon hast wie Gesundheit, Freunde, Familie, ein Dach über dem Kopf, einen Job, Geld, Essen …). So kannst du üben, im gegenwärtigen Moment zu sein. Setz dich beim Frühstück auf einen anderen Sessel. Fahre einen anderen Weg in die Arbeit, steig eine Station früher aus … Ich glaube, du weißt, was ich meine.

Schritt 4: Präsent sein

Lenke während des Tages dein Bewusstsein immer wieder auf die Gegenwart. Dazu nutzt du deinen Atem, denn er geschieht nur im gegenwärtigen Moment. Atmen ist immer Gegenwart. Wenn du dir Zeit nimmst, kurz innezuhalten und dich – vielleicht sogar mit geschlossenen Augen, damit du die Verbindung zur Außenwelt unterbrichst – auf deinen tiefen ruhigen Atmen zu konzentrieren, wirst du feststellen, dass sich etwas verändert. Vergangenheit ist vorüber, Zukunft findet noch nicht statt. Du bist präsent. Sich zu verändern, heißt über dein Umfeld und deine Lebensumstände hinauszuwachsen.

Neue Abläufe, neue Sichtweisen, neu Gelerntes, das zu neuen Denkweisen führt, sollte also logischerweise auch zu neuen Wahlmöglichkeiten und Entscheidungen führen, die – wenn sie umgesetzt werden – zu neuen Verhaltensweisen führen sollten. Dadurch können neue Erfahrungen entstehen, die neue Gefühle erzeugen. Neue Gefühle und neue Emotionen sollten neue Gedanken hervorrufen. Das fördert deine Weiterentwicklung.


You must be playing your mind – your mind should not be playing you. – Sadhguru


Rechne damit, dass dein Verstand (und auch dein Körper) dir öfter „einreden” wollen, dass das alles Unfug und viel zu kompliziert ist. Schließlich wollen sie die altbewährten einfachen, schnellen und erprobten Pfade nicht verlassen. Lass dich davon nicht beeindrucken. Bleib dran, auch wenn es manchmal mühsam wird.

Wenn Du dabei Unterstützung brauchst, steht ich dir gerne mit Rat und Tat zur Seite: KONTAKT