Das Gefühl, „NEIN“ zu sagen, ist für viele von uns eine große Herausforderung. Oft empfinden wir dabei Schuld oder Unbehagen, weil wir glauben, für die Emotionen anderer verantwortlich zu sein. Dieses Glaubenskonstrukt führt dazu, dass wir unsere eigenen Bedürfnisse vernachlässigen – sowohl im Privatleben als auch im Beruf. Was wir dabei oft übersehen, ist die Tatsache, dass das Setzen von Grenzen und das „Nein-sagen“ nicht nur eine Frage der Selbstachtung ist, sondern auch ein essentieller Teil der Selbstfürsorge.
Viele Menschen erleben Schuldgefühle, wenn sie anderen gegenüber Grenzen setzen. „Deine Anspannung ist meine Anspannung“ – dieser innere Dialog ist weit verbreitet und wirkt oft wie ein unsichtbares Band, das uns daran hindert, für uns selbst einzustehen. Schuldgefühle sind oft an Verantwortung geknüpft, weil wir glauben, dass wir dafür verantwortlich sind, dass es anderen gut geht, und übersehen dabei, dass die Anspannung unseres Gegenübers vielleicht die Lektion ist, die es braucht, um zu wachsen.
Im beruflichen Umfeld spiegelt sich dieses Muster oft noch stärker wider. Hier gibt es zusätzliche Erwartungen und Leistungsdruck, die es uns schwer machen, Nein zu sagen. Vielleicht hast du schon einmal zusätzliche Aufgaben übernommen, obwohl du keine Kapazität mehr hattest, weil du dachtest, es sei von dir erwartet. Oder du hast Kollegen oder Vorgesetzten den Vorrang gegeben, obwohl du wusstest, dass du dich dabei selbst überforderst. Im Berufsalltag fühlen wir uns oft verpflichtet, immer verfügbar zu sein und alles zu tun, um niemanden zu enttäuschen – aber das geht oft auf Kosten unserer eigenen mentalen und physischen Gesundheit.

Grenzen zu setzen und Nein zu sagen ist hier kein Zeichen von Schwäche oder mangelndem Engagement, sondern ein Ausdruck von Selbstachtung und – ganz entscheidend – von Selfcare. Selbstfürsorge bedeutet, auf seine eigenen Bedürfnisse zu achten, bevor man sich für andere aufopfert. Sie beginnt bei den kleinen Entscheidungen, bei denen wir für uns einstehen. Wenn du regelmäßig deine eigenen Grenzen übergehst, um anderen gerecht zu werden, verlierst du auf Dauer nicht nur Energie und Freude an dem, was du tust, sondern auch den Kontakt zu dir selbst.
Selbstfürsorge im beruflichen Kontext zeigt sich nicht nur in der Fähigkeit, respektvoll Nein zu sagen, sondern auch darin, wie du mit deiner Zeit, deiner Energie und deinen Kräften umgehst. Wenn du immer wieder über deine eigenen Grenzen hinausgehst, gerätst du früher oder später an den Punkt der Erschöpfung – emotional und körperlich. Burnout und chronische Überlastung sind die Folgen eines anhaltenden Ungleichgewichts, bei dem du dich selbst immer wieder hinten anstellst. Deshalb ist es so wichtig, dass du lernst, für dich zu sorgen, indem du deine Bedürfnisse ernst nimmst und klar kommunizierst.
Im privaten Leben ist Selfcare ebenfalls von großer Bedeutung. Vielleicht bist du es gewohnt, für die Bedürfnisse deiner Familie oder deiner Freunde da zu sein und dich dabei selbst zurückzunehmen. Doch auch hier gilt: Du bist nicht verantwortlich für das Wohlbefinden anderer. Wenn jemand durch dein beherztes Nein enttäuscht oder angespannt ist, ist das vielleicht die Lektion, die sie brauchen, um zu lernen, wie sie mit ihren eigenen Gefühlen umgehen können. Indem du immer wieder deine eigenen Grenzen aufweichst, beraubst du sie dieser wertvollen Möglichkeit.
Es mag schwerfallen, aber die wichtigste Lektion dabei ist, dass deine Grenzen und deine Zeit ebenso wertvoll sind wie die der anderen. Du kannst nicht für alle immer verfügbar sein, und das musst du auch nicht. Selfcare bedeutet, sich selbst den Raum zu geben, den man braucht, um zu regenerieren, aufzutanken und bei sich anzukommen. Ohne diese Zeit und diesen Raum verlierst du dich in den Erwartungen und Bedürfnissen der anderen und gibst zu viel von dir selbst auf.
Ein häufiges Missverständnis ist, dass Selfcare etwas Egoistisches sei. Doch das Gegenteil ist der Fall: Nur wenn du gut für dich selbst sorgst, kannst du auch wirklich für andere da sein. Wenn du emotional und körperlich ausgelaugt bist, kannst du weder deine Arbeit gut erledigen noch für die Menschen um dich herum da sein. In diesem Sinne ist Nein zu sagen ein zentraler Aspekt von Selbstfürsorge – es ist ein Akt der Selbsterhaltung, der dir erlaubt, deine eigene Energie zu schützen und sie dort einzusetzen, wo es für dich und andere wirklich sinnvoll ist.
Es kann zu Beginn unbequem sein, vor allem, wenn du es gewohnt bist, den Erwartungen anderer zu entsprechen. Doch je öfter du übst, deine Grenzen zu wahren, desto stärker wirst du dich fühlen. Und du wirst merken, dass andere nicht nur deine Grenzen respektieren, sondern auch lernen, Verantwortung für ihre eigenen Emotionen und Herausforderungen zu übernehmen. Sie müssen selbst Wege finden, um mit ihren Spannungen umzugehen, und das ist ein wichtiger Schritt in ihrem eigenen Wachstum.

Selfcare bedeutet auch, sich regelmäßig Zeit für sich selbst zu nehmen und sicherzustellen, dass du genug Raum für Regeneration hast – ob das durch kleine Pausen im Alltag, regelmäßigen Schlaf oder Momente der Achtsamkeit geschieht. Und es bedeutet, aktiv Entscheidungen zu treffen, die dein Wohlbefinden unterstützen, auch wenn das heißt, anderen manchmal ein Nein zu geben. Deine eigene Gesundheit, dein emotionales Gleichgewicht und deine innere Zufriedenheit müssen Priorität haben, wenn du langfristig ausgeglichen und stark bleiben willst.
Im beruflichen Kontext könnte das bedeuten, klare Arbeitszeiten zu haben und darauf zu bestehen, dass diese eingehalten werden. Es könnte bedeuten, Aufgaben abzulehnen, wenn du bereits überlastet bist, oder um Unterstützung zu bitten, anstatt alles allein zu stemmen. Im privaten Leben könnte das bedeuten, sich Zeit für sich selbst zu nehmen, auch wenn Familie oder Freunde gerade etwas von dir erwarten. Es ist in Ordnung, sich selbst an erste Stelle zu setzen, denn nur so kannst du deine beste Version für dich und andere sein.
Das Nein sagen ist ein kraftvoller Ausdruck von Selfcare. Es ist eine Botschaft an dich selbst, dass du wertvoll bist, dass deine Zeit und Energie wichtig sind und dass du Verantwortung für dein eigenes Wohlbefinden übernimmst. Es gibt dir die Freiheit, deinen eigenen Weg zu gehen und in deiner Kraft zu stehen, ohne dich von den Erwartungen anderer lenken zu lassen. Und genau darin liegt die wahre Selbstfürsorge: sich selbst zu respektieren, seine Bedürfnisse zu erkennen und sich den Raum zu geben, den man braucht, um erfüllt und gesund zu leben